2001 Tabasco 3

 

Sitten-widrige Lösung der Fristenlösung

Am 7. Juli 2001 soll in Sion ein grosses Fest stattfinden. Ein Fest wie es auch in den Olympiastädten London, Sydney, Berlin oder Rom zelebriert wird. Aber halt! In Sitten sollen keine solchen Sitten eingeführt werden. Dabei ist Gay Pride nicht nur in Olympiastädten ein fester Bestandteil des Veranstaltungskalenders.

S. Exz. Msgr. Norbert Brunner, Bischof von Sitten, geboren am 21. Juni 1942, zum Priester geweiht am 6. Juli 1968, zum Bischof geweiht am 9. Juni 1995, hat etwas dagegen. Wie soll er nur am 6. Juli Geburtstag feiern wenn am folgenden Tag die Sünde droht. Und weil er sich so daneben zu Wort meldete, wird daraus erst recht ein erfreulicher Anlass. Als sich letztes Jahr der Vatikan über den World Gay Pride in Rom erregte, wurden etwa 200'000 Besucher gezählt. Zweihundertausend mal eine Freude für Restaurants, Souvenir-Verkäufer und Hoteliers.

Sion, die älteste Stadt der Schweiz erhält die Chance, eine der wohl ältesten Sünden der Welt zu zelebrieren. Denn noch ist wissenschaftlich nicht abgeklärt, ob sich Adam und Eva der Schlange und des Apfels wegen vereinten oder ob da einfach eine weitere Frau, ein weiterer Mann, im Paradies fehlten. Bei solchen Risiken wird der Bischof seinen Schäfchen als nächstes am Christopher Street Day eine Bannmeile um New York herum verordnen

Obwohl in Sitten nicht gerade ein World-Event geplant wird, genügend Besucher sollten sich finden lassen. Gemäss "Blick" ist jeder 4. Pfarrer schwul und ebenso z.B. 40% - 50% der Studenten an der theologischen Fakultät von Luzern. Zusammen mit den nicht so christlich denkenden Menschen ergibt das ein ordentliches Potential von Teilnehmern. Dazu noch alle Zuschauer, und natürlich TV-, Radio- und Zeitungsreporter. Sie alle würden in Sitten Essen, Trinken, Schlafen und Geld ausgeben.

Aber leider leider ist nicht nur der Bischof, sondern auch der Stadtrat "not very amused". Auch auf der Internetseite des Tourismus-Vereins findet sich kein Hinweis auf das geplante Spektakel. Eine Konsultation von Geschichtsbüchern zeigt, was mit solch negativem Verhalten ausgelöst werden kann. Der Christopher-Day hat seinen Ursprung im Jahre 1969. Ein paar Polizisten in New York verhielten sich unfreundlich und das wirkt bis heute - Jahr für Jahr - mit einem grossen Fest nach. Mit netter Unterstützung vom Bischof und einem ängstlichen Stadtrat könnte also ein Sittener-Day entstehen. Ein zukünftiges Ertragseldorado!
Wo bleiben die Vertreter von Hotellerie und Restauration die sich im Interesse Ihrer Schäfchen lauthals gegen des Bischofs Gezeter wehren? Hoteliervereinspräsident Silvan Bumann ist in Saas-Fee's Bergwelt dem lieben Gott etwas näher als der Bischof im Tal zu Sitten. Hat er keinen Draht nach oben um seinen Mitgliedern am 7. Juli 2001 mal ordentlich Umsatz zu ermöglichen? Oder Marcel Coquoz, GastroWallis Präsident und GastroSuisse Funktionär. Ist ihm noch nie zu Ohren gekommen wieviel Umsatz sich an einer Zürcher Street-Parade zusammenläppert. Ein Bruchteil des Zürcher Volumens würde reichen, um auch noch einen Solidaritätsbeitrag nach Leukerbad zu spenden. Der Zürcher Mega-Anlass war vor 10 Jahren ein Mini-Trüppchen, das sich mit einem klapprigen Gefährt von vielen belächelt das Limmatquai hinauftanzte. Aber niit isch, alle bleiben sie ruhig. Noch schreibt Siontourism dass sie "jeden Besucher zufriedenstellen möchten". Wenn das Schweigen der Bischofs-Lämmer weiterhin anhält, wird wohl mancher Hotelier oder Restaurateur in Sitten unzufrieden sein.

In der Grussbotschaft der Bundespräsidentin an die Pride vom Jahre 1999 stand: "Die zwei Tage der Lesbian and Gay Pride bieten ... durch das Fest zweifelsfrei die Gelegenheit ... weniger Feindseligkeit und mehr Verständnis erfahren." Worte aus SP-Munde werden trotz oder wegen Hotelier Bodenmann im CVP-Lande wenig gehört. Dabei müsste sich die CVP doch auch vehement für solche Anlässe einsetzen. Rein biologisch gesehen könnte solch gleichgeschlechtliches Treiben deren Problem mit der Fristenlösung lösen.

Zum Abschied eine Note

Eine eMail-Adresse kann noch so geheim gehalten werden, irgendwie schafft ein Spam-Mail den Weg dorthin. Heute Werbung für eine Software mit der professionelle Arbeitszeugnisse erstellt werden könnten. Im Schulnotenprinzip juristisch einwandfrei einen Mitarbeiter bewerten. Sind Mitarbeiter Schüler die zum Abschied benotet werden wollen?
"Mit wenigen Mausklicks erstellen Sie aussagekräftige Arbeitszeugnisse. Der Computer nimmt Ihnen dabei die Formulierungsarbeit komplett ab." Weshalb denn überhaupt noch ein Zeugnis schreiben? Da reicht doch eine Arbeitsbestätigung mit zwei drei Standardcodes, etwa so wie E-Nummern im Kleingedruckten der Lebensmittelzusammensetzung. Fehlt nur noch der Strichcode damit der nächste Arbeitgeber das Zeugnis besser lesen kann. "Wir suchten Arbeiter, und es kamen Menschen" schrieb Max Frisch vor einigen Jahren... Wir gehen tristen, sprachlosen Zeiten entgegen. Vorformulierte Floskeln und Standardbriefe tragen zur Sprachverarmung bei. Tragen sie zur Sprachbelebung bei. Versuchen Sie, eine Woche lang keinen Brief mit "Sehr geehrte.... " zu beginnen. Wenn alle Welt nur noch vorgefertigte Briefe verwendet, wer wird in Zukunft noch wissen, wie in einem Liebesbrief Brief die eigenen, ganz persönlichen Empfindungen formuliert werden sollen?

PR Disaster

Markennamen-Träger Achtung. Und alle die gerne eine Kette aufbauen möchten ebenso. Naomi Kleins kritische Stimme aus Kanada wurde ins Deutsche übersetzt. "No Logo" heisst nicht nur das Buch, sondern auch die Botschaft. Auf 512 Seiten - wie auch in den die Lancierung begleitenden Interviews - prangert sie die schä(n)dlichen Einflüsse von global agierenden Marken an. Genau genommen sind es nur 461 Seiten plus Anhang und Statistiken, aber auch dies reicht für einen Sonntag und noch mehr Lesezeit. Egal ob es sich um Starbucks, McDonalds, Taco Bell, Adidas, Nike oder wie sie sonst noch alle heissen handelt. Beim Lesen des Buches könnte man meinen, einen weltbekannten Namen zu tragen sei Synonym für alle Untaten die man Managern schon immer zugetraut hatte: Kinderarbeit im Fernen Osten, Preisdrücken beim stundenweise eingesetzten Hilfspersonal, Einkaufpreise ausquetschen um mit so erhöhter Marge noch mehr für Werbung einzusetzen und so weiter und so fort. Alles mit dem gutgemeinten Ziel, dem Konsumenten mittels eines Logos zu befreien. Zu befreien von der Unsicherheit etwas falsches zu machen ...

Dieses Buch wird zu High-Times und Umsatzschüben in den PR-Büros führen. Wer nicht nur bei Frau Klein, sondern auch bei www.mcSpotlight.org reinschaut wird sehen: David gegen Goliath existiert! Die dort beschriebene McLibel Campaign kann als Vorläufer von Naomi Kleins Engagement betrachtet werden. Vorsorglicherweise vergrössern wir den Papierkorb im Pfefferland. PR-Tanten und -Onkel werden nun ihren Kunden erklären, welche beschwichtigenden Mitteilungen via Journalisten den Endverbraucher auf den richtigen Weg leiten sollen. Channel 4 TV news nannte die McLibel-Geschichte 'The biggest Corporate PR disaster in history'.

PR-Berater nötig?

Bei der Eröffnung des Red Ochre Grill in Uster wäre ein PR-Berater oder Ghostwriter am Platz gewesen. Nach aussen hin hätte er getan als würde er der SVP-Stadträtin ganz lieb am Ohrläppchen knabbern. In Wirklichkeit hätte er ins Ohr geflüstert, dass diese Neueröffnung nichts mit einem hinterwäldlerischen Buure-Zmorge zu tun habe. Leider leider blieb das Ohrläppchen unberührt und so bedauerte die Stadträtin Gerosa in einem Anfall von Schweizerischheit, dass hier so fremdes Zeugs und keine richtige Schweizer Beiz Einzug gehalten habe. Dabei wäre ruhiges dankbares Schweigen am Platz. Danken, dass jemand als Nachfolger des Prizzi's die Miete bezahlt. Ein tüchtiger Schaffer der wenige S-Bahnstationen weiter in der Outback Lodge im Stadelhofen mit ähnlichem Konzept zeigt, dass weder ein Känguruh-Entrecôte vom Teller springt noch das Krokodilfilet einen Finger abbeisst. Die Idee von down-under ist gar nicht so anderschume. Hat Ueli der Bauer souffliert und Frau Stadträtin ist deshalb mehr nach CrazyCow?

Volkswirtschaft a la Gewerkschaft

Die Gewerkschaftszeitung staunte kürzlich über die Statistik der Zu- und Abnahme von Betrieben. Und falls sie nicht grad über eine Statistik staunen, fordern sie im Kanon mit anderen Arbeitnehmervertretern nach einem Minimallohn. Damit dieser nicht unterwandert werde, sollen die Grenzen für Ausländer aus etwas weiter weg liegenden Staaten möglichst dicht gehalten werden.

Einerseits stellen sie also fest, dass 600 Betriebe mehr eröffnet als geschlossen wurden und andererseits hätte sie gerne eine strenge Regelung in Sachen Arbeitskräfte aus dem ferneren Ausland. Woher nur sollen denn die Mitarbeiter kommen? Italiener? Wohl kaum, die schreiben die tiefsten Arbeitslosenzahlen seit langem und haben somit nicht viel Grund Bella-Italia zu verlassen.

Vielleicht jemand aus Österreich? Die Gewerkschaftspostille meint, die kämen wegen unserer tiefen Löhne nicht mehr in die Schweiz. Vielleicht hilft hier ein bisschen zusätzliche Statistik. In der UBS-Brochure "Preise und Löhne rund um die Welt" steht zum Beispiel, dass ein Wiener für den Kauf eines BigMac's 16 Minuten, ein Zürcher 15 Minuten arbeiten muss. Aus Hamburger Sicht besteht kein Grund in die Schweiz zu ziehen. In der Brochure sind auch die Lohn- und Preisniveau-Vergleiche:

                            Zürich          Wien

Preisniveau            100              82
Lohnniveau            100              61

Die Wiener verdienen also im Schnitt 39 Prozent weniger als die Zürcher, haben aber ein Preisniveau, dass nur 18 Prozent tiefer als das Zürcherische liegt. Das wäre doch ein Grund in die Schweiz zu kommen. Für mich wären das alles Gründe, sogleich in die Schweiz zu fahren. Aber vielleicht verhält es sich ähnlich wie bei den Italienern. Auch die Österreicher führen eine Arbeitslosenstatistik. Gemäss dieser gehören sie in der EU mit zu den Spitzenreitern in Sachen tiefer Arbeitslosigkeit. Also besteht wohl wenig Grund, sich im Ausland zu verdingen. Deren Gastro-Branche hat übrigens 79 Shilling (also ca. Fr. 10.-) als Mindestlohn pro Stunde vereinbart.

Im Schnitt 600 neue Lokale pro Jahr statt 600 weniger weist die Tabelle aus. Zu den 600 neuen zählen Betriebe wie das Tiffins oder das Ginger an der Seefeldstrasse oder die neue Sushi-Bar bei der Tramstation Höschgasse. Ohne Patentliegenschaftsguguus eingerichtete potentielle Cash-Cows an gut frequentierten Lagen. Statt auf einer Bankfiliale Geld abzuheben, bringe ich nun meine Nötli in die anstelle der Bank eingemietete Sushi Bar.

Kann die Strukturbereinigung der Branche durch einen Mindestlohn beschleunigt werden? Viele kleine Betriebe denken seit langem darüber nach, wie sie den Betrieb schliessen könnten. Aber die Angst vor einem Berg von Kreditoren zu stehen, der ohne laufend eingehenden Umsatz abgebaut werden müssten, lähmt die Entscheidungsfreude...

Einige Rechner glauben, die Einführung eines Mindestlohns von Fr. 3000.- würde die Lohnkosten um ca. 2% erhöhen, das ganze unter dem Titel "Mindestlöhne - nötig und machbar". Gemäss Katag-Statistik weist der Durchschnittsbetrieb eine Gewinnmarge von etwas über einem Prozent und Lohnkosten von etwa 40% des Umsatzes aus. Mit Einführung eines Mindestlohns erhielten die Angestellten somit den bisher als Gewinn ausgewiesenen Betrag als Lohn, die Lieferanten des Betriebes einen Verlustschein, die Arbeitslosenkasse Arbeit und die Gewerkschaft einige Mitglieder weniger.

Und falls dies noch nicht reicht, steht neben der Lohnforderungen von Gewerkschaftsseite noch die Regulierung (im Klartext wohl eher die Eindämmung) der Flexibilisierung der Arbeitszeit an. Die Hüter der Roten Fahnen schlafen schlecht, wenn sie die nach ihrer Sprachregelung "unregelmässigen und langen Arbeitszeiten" nicht kontrollieren können. Möchten die Mitarbeiter aus der Verkäufer- oder Coiffeurbranche anlocken und den Schwarzen Peter an die nächste Branche weiterreichen. Es wird nicht lange dauern, werden auch dort die Funktionäre aufjaulen. Die Coiffeteria Onyx in Basel mit dem unter einem Dach verbundenen Gastro- und Coiffeurbetrieb ist unter solchen Gesichtspunkten ein Trendsetter.

Mich nimmt de Tüüfel wunder, ob die Gewerkschafter und alle Mitglieder die solches Fordern MusterschülerInnen sind. Sicher reisen die nie ferienhalber in ein Billiglohn-Land, ihrem Kind schenken sie keinen in Indien von Kinderhand genähten Fussball, und im Supermarkt schreiten sie am 5 fränkigen T-Shirt aus Vietnam vorbei.