1995 Vegi Vertrauen gegen Vertrauen

Vegipunkt. Vertrauen gegen Vertrauen

Trendforscher behaupten, dass im Lauf der nächsten Jahre etwa 20% der Menschen vegetarisch leben werden.
Ich selbst koche seit längerer Zeit fleischlos - weder sektiererisch noch militant, auswärts ist auch mal ein Stückchen Fleisch zugelassen - und kaufe je länger je bewusster ein.
Seit jedoch bekannt wurde, dass für die Kefir-Herstellung Gelatine benutzt wird, traue ich nahrungsmittelmässig nichts und niemandem mehr. Denn was haben Knochen und Häute als Extrakt in meinem Frühstücksmüesli zu suchen?
Beim Grossverteiler schaue ich mir seither erst recht die kleingedruckte Zusammensetzung der Artikel an. Noch verstehe ich nicht, was genau hinter all den E-Codes steht. Ich werde diese Fragen in Angriff nehmen, sobald ich das auch für Laien Verständliche im Griff habe. Denn was findet sich uncodiert Deutsch und deutlich 1,5mm gross beschrieben in einem Päckli Gemüsesuppe? Tierisches Fett. Ich will aber keine tierische Fettsuppe, in der rinderseuchenbedrohtes Mark oder ebensolche Knochen zusammen mit dem Gemüse eingekocht wurden. Solange ich Päckli ohne dieses Fett finde oder meine Suppe zu Hause selbst koche, werde ich diese Suppe Suppe sein und im Regal stehen lassen.
Bei vielen Produkten denkt der Konsument nicht im Traum daran, nach tierischen Fetten zu suchen. Zwar hat die Gelatine im "reinen Milchprodukt" Kefir einige wachgerüttelt. Aber auch nachdem diese Zusammensetzung bekannt wurde, beginnt für viele Vegetarier der Tierkonsum bereits am Morgen mit dem Frischback-Gipfeli und setzt sich beim Chäschüechli zum Zmittag fort. Auch ich habe gerne etwas Butter zum Gipfeli. Aber zu einem Gipfeli in dem kein tierisches Fett, aus Produktions-, Konsistenz-, Lagerungs- und was auch immer für -Gründen versteckt wird. Was hat denn Schweine- oder Rinderschmalz bei Kaffee und Hörnchen verloren? Und wenn ich ein Chäschüechli mit tierischem Fett will, dann kaufe ich mir eine Quiche und weiss, was ich habe.
Wenn die Trendforscher recht haben, dann wird es höchste Zeit, diesem Fünftel der Konsumenten nicht nur im Kleingedruckten zu sagen, ob ein Produkt ihrer Lebens- bzw. Ess-Einstellung entspricht.
Und nun, liebe Wirte und Wirtinnen, Hand auf's Herz: Wie Vegi ist ihr vegetarisches Menu wirklich? Was steht im Kleingedruckten Ihrer Fertig-Gemüse-Suppe? Womit sind Ihre "fleischlosen" Spargel-/Ei-/Thon-Canapés überzogen? Wieviel Gelatine-Pâtisserie wird Ihrem sich vermeintlich vegetarisch ernährenden Gast serviert.
Wie wäre es, wenn unsere Produzenten/Grossverteiler einen Vegi-Punkt einführen würden? Zum Beispiel auf Druck der Wirte, die ihrem Gast gegenüber ein reines Gewissen haben möchten. Ähnlich der Migros die die Brotsorten je nach Vollwertigkeit in unterschiedliche Farbtüten packt, könnte der Vegi-Punkt unterschiedliche Farben für "ohne Fleischzusatz", "ohne Ei/Milch" (für Veganer) etc. aufweisen. So könnte der Konsument, der aus Tierschutzgründen (Tierzucht/Haltung/Transport) oder wegen der Urwaldrodungen für die Rinderzucht, oder ganz Allgemein seiner Gesundheit zuliebe - Rinderseuche, Cholesterin und was der Argumente mehr sind - kein Fleisch essen möchte, dies auf den ersten Blick erkennen.
Der Wirt wiederum weiss, was er seinem Gast offeriert. Wäre doch fair. Vertrauen gegen Vertrauen. Wenn ich auswärts esse, vertraue ich meine Gesundheit dem Wirt an.

Übrigens: Das Hiltl-Vegi wusste auf Anfrage nicht, ob seine Gipfeli ... Aber Hr. Hiltl hat das sofort mit dem Lieferanten geklärt.