1997 Turicer

RESTAURANT & BAR TURICER, ZÜRICH

Vier Magnete unterschiedlichster Art ziehen an der Schmidgasse beim Zürcher Niederdorf Menschen unterschiedlichster Natur an. In der Nummer 6 gibt’s schon zum z’Mittag Rotlichtviertel-6 nach Hausmutterart, rechts daneben zieht die Babalu-Bar jüngere Nachtschwärmer zum flirten an, links davon finden sich bei Harry’s Catchy Tunes neue Rhythmen für einen erotischen Tanz, und vis-à-vis ist das Restaurant Turicer immer wieder Ziel eines harten Kerns von Stamm-Gästen, die gut Essen nicht minder sinnlich finden. Einige Salz&Pfeffer-Streuer gehören mit dazu. Obwohl das Restaurant im ersten Stock Stammlokal einer Studentenverbindung mit Thron und allem PiPaPo ist, essen, trinken, saufen und rauchen nicht nur studierte dort, sondern auch Leute wie zum Beispiel der Winterthurer Daniel E.
Mit blauer Brille sitzt er der Zürcher Verkehrsdirektorin Edith Strub gegenüber, die eine leicht getönte Brille trägt. Bei ihrem Mittagessen scheinen sich die beiden in Bezug auf die geplante Gourmet-Messe 97 einer Meinung zu sein. Über die Preise im Turicer sind sie es nicht. Daniel E. erklärt der Frau Direktorin schon beim ersten Blick auf die Karte: Die verkaufen sich unter ihrem Wert! Edith Strub hingegen ist happy, endlich wieder einmal einen Platz in „little big city“ entdeckt zu haben, den sie hinsichtlich Preis und Leistung mit gutem Gewissen weiter empfehlen kann. Achtzehnfrankenfünfzig kostet ein Mittagsmenu mit Fisch, und zwar mit einem frisch aus dem Zürichsee gefischten, nicht irgend einem engros tonnenweise tiefgefroren eingeflogenen. Für ein paar Franken mehr lässt sich auch 2 - 3 Stunden bei einem Mittag- oder Abendessen à la carte verweilen, um entweder ein ganzes Menu selbst zusammenzustellen, oder sich eines empfehlen zu lassen. Der Wirt René Burkhalter hat bereits in jungen Jahren in einigen bekannten Küchen gekocht, während der Blütezeit vom Chez Max stand er z.B. auch einige Zeit in Zollikon am Herd. Wer nun meint, das heisse Mini-Schischi-Züügs, der täuscht sich. Ein Gemüsecarpaccio mit Olivenoel vom Feinsten oder ein Tomatentartar mit Salat als Vorspeise, danach für Gesundbeter eine Portion Dinkel, für Fleischbeter ein Alpenlamm, zum Dessert eine luftige Rahmkirschtorte aus dem Muotathal, die noch genügend Raum lässt, um auch die dem Espresso beiliegende genfreie Mini-Toblerone wegzuputzen. Flaschenweine im Offenausschank, deckungsbeitragsmässig kalkuliert, schonen das Budget jüngerer Besucher, Kreditkarteninhaber blättern in der Weinkarte. Bei allen Produkten in diesem Haus zeigt sich ein feines Gespür für ausgesuchtes Rohmaterial, egal ob es sich nun um Nahrungsmittel, Wein, Cigarren oder die am stillen Örtchen aufliegenden Kondome handelt. Nach dem Schmausen sollst Du Schmauchen oder Rauchen. Ein Blick in die Zigarrenkarte und der Griff in den von Charles Hofer bestückten, mannsgrossen Humidor lässt Maximo Liider Fidels Klasse klingeln. Der Härtetest mit der Frage nach einer Montecristo A wurde bestanden. René Burkhalters Partnerin Bea Fischer präsentierte gleich eine ganze Schachtel dieser Rarität. Wer für die Zigarre nicht mehr Geld ausgeben möchte als für das Essen, kann auch kleinere Grössen verlangen.
Für die Renovation des Altstadthauses wurde vor einem Jahr wurde ein Kunst-Maler, der von der Speise-Karte bis zu den Wänden ein einheitliches, ruhiges Farbkonzept geschaffen hat, beigezogen. So entstand ein Ort, wo sich’s optisch wie gaumenmässig wohl sein lässt.