2001 Der Gott des Fleisches

Festschrift für Jacky Donatz, 27.12.2001

Der Gott des Fleisches

Jacky Donatz aus der Sicht eines Vegetariers

Der französische Schriftsteller Jules Romains hat  Ende der 20-er Jahre einem Roman den Titel „Der Gott des Fleisches“ gegeben. Ahnte er bereits, dass eines Tages ein solcher Gott  in Zürich am Herd stehen würde? Wohl kaum, denn sein 'Le dieu des corps' handelt eher von zwischenmenschlich-fleischlichen Genüssen. "Sa nudité s'étendit plus vite, comme un feu de broussailles où se met le vent" schrieb das spätere Mitglied der Académie Française. Egal ob draussen am von Wind entfachten Feuer oder drinnen am Herd, Hitze braucht es in der Fleischküche so oder so.

Welche Befriedigung findet ein Vegetarier, der zu Jacky Donatz essen geht?

Die gleiche wie ein Homosexueller im Bordell? Der Schwule im Puff erfreut sich statt an fleischlichen Genüssen am ungezwungenen Tratsch mit Frauen, die gerne mit Männern ohne Hintergedanken plaudern. Zämehöckle und ein Glas Wein trinken. Ja, das könnte einem Vegetarier auch gefallen, denn die Ausstrahlung von Jacky Donatz, von dem meine Frau sagt, er sei sehr attraktiv, ist sympathisch, natürlich und absolut raumfüllend. (In der Küche bestimmt auch tenormässig polternd). Betritt er ein Lokal, ob seinen Sonnenberg oder eine fremde Gaststätte, wird er auf der Stelle und ganz natürlich zum Chef des Etablissements. Er korrigiert hier die Haltung eines jungen Sommeliers und da den Gang eines Kellners, sodass Gastgeber schliesslich nicht nur einen interessanten und interessierten Gast bewirtet, sondern gleich auch noch einen begabten Personaltrainer. Sein Cherokee ist mit „chef de voiture“ angeschrieben. Schön wenn Polizisten von ihm auch einmal eine Lektion über den ordentlichen Umgang mit Kunden erhalten.

Im Gegensatz zum Freudenhaus dürfen Restaurants bedenkenlos auch junges Gemüse anbieten. Ein simpler Gemüseteller ist jedoch nicht die Stärke unseres Kochs. Trotz Werbefotos für Sojasauce steht auch nichts derartiges zum nachwürzen auf dem Tisch. Aber Jacky Donatz will ja nicht für Jedermann kochen. Kein Petite Fleur also für Vegetarier. Diese sollen ihre grillierten Zucchetti gefälligst in der Hölle suchen. Nach seinem Zürcher Karrieren-Start unten beim Platzspitz ist der Barocke Fleischengel inzwischen auf dem Sonnenberg der Göttlichkeit eine Stufe näher gerückt.

"Siehe ich bin Jehovah, der Gott alles Fleisches, sollte mir irgendein Ding unmöglich sein?" steht in Jeremia 32,27. Mangels Christoph Columbus kannten die Köche jener Zeit noch keine US-Entrecotes. Die Donatz-Jünger würden heute an dieser Bibel-Stelle "Siehe ich bin Jacky ..." schreiben.

Vor 10 Jahren sagte er: "Die Küche geht mehr ins Leichte, wir wollen den Gast nicht mit schwerverdaulichen Produkten belasten". Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, Jacky Donatz esse die schwere Küche weg, damit seine Gäste die Leichte geniessen können. Ein Gastgeber, der sich rundum um das Wohl seiner Fleischtiger kümmert.

Sikander von Bhicknapahari

PS: Natürlich sind die Mezzelune mit Ricotta-Füllung eine Sonnenbergfahrt wert.