2002 S+P 8

Salz&Pfeffer 8/2002

In(n)sider Bitte Abstimmen, wir glauben keiner Statistik sondern nur Salz&Pfeffer-Lesern

«Wovon man nicht laut spricht, das ist nicht da» sprach Friedrich Nietzsche.

Seit längerem liegt eine Statistik im Salz&Pfefferland, der niemand so richtig glauben will. Eine Statistik mit der die Gastro-Suisse feststellt, der Einsatz von Convenience-Produkten sei nicht der Normalfall. Gemäss dieser Statistik würden in 44 Prozent aller Betriebe keine Hilfsmittel zur Vereinfachung der Produktion eingesetzt.

Wussten die Befragten nicht, was Convenience heisst? Wo fängt Convenience an? Unser Verlagsleiter Romeo Brodmann produziert bei sich zu Hause jeweils Bouillon auf Vorrat, aus seiner Sicht ist der Maggi-Würfel bereits dieser Gruppe zuzuordnen. Er verteufelt ihn deswegen nicht, aber Romeos Abgrenzung ist klar.

Auf einem Foto im Tagi-Magi steht Hans-Peter Hussong in seiner Küche, im Gestell zwei Flaschen Ketchup. Roter Ketchup, die neueste Mode mit andersfarbigem Ketchup ist noch bis Uetikon gelangt. Ein Foto der Küche im Rathhauskeller Zug zeigte vor einigen Jahren eine Fertig-Ravioli-Packung. Sind zugekaufte frische hausgemachte Ravioli Convenience oder nicht? Ist Ketchup Convenience oder nicht? Vielleicht ist Hussong einfach ehrlich. Ehrlich, dass auch Ketchup oder ein anderes Fertigprodukt manchmal genau das richtige ist.

Als das Salz&Pfefferteam vor einem Jahr an der Gourmesse im Kongresshaus morgens um zwei mit knurrenden Mägen in den Seilen hing, kochte uns die Crew von Petermann eine Monsterportion Pasta Arrabiata. Und die waren tip top. Natürlich haben die nicht noch des Morgens um zwei Teig geknetet und ausgewallt. Die Spitzenköche haben einfach einen Sack Teigwaren ins sprudelnde Salzwasser gekippt. Bei Petermann in Küsnacht würde so etwas nie erlaubt. Aber so ganz im informellen Rahmen zeigt sich’s, dass zum richtigen Zeitpunkt eine vorfabrizierte Sache ideal sein kann.

Wir bitten zur Internet-Urne

Glauben die Gäste des Schweizerischen Gastronomie und Wirtewesens, dass 44 Prozent der Betriebe keine Convenience einsetzen. Dass in der Küche jede Salatsauce selbst angerührt wird. Zum Schrecken der Lebensmitterinspektoren keine Fertig-Mayo zugekauft wird, der Menusalat selbst gewaschen und verkleinert wird, jeder Fond, jede Bouillon selbst mit stundenlangem Köcheln erzeugt wird.

Lasst uns darüber abstimmen. Auf www.salz-pfeffer.ch läuft die Umfrage. Klicken sie sich rein und geben Sie eine Stimme ab. Glauben Sie dieser Statistik? Wir sind gespannt.

(Das Original zu dieser Statistik ist bereits bei Andrin Ausschnitt den es braucht sieht so aus wie unten an diesem Dokument)

Drei Zitate zu drei mal Gaga Juridique

Der Jusletter ist kein Informationsblatt von Orangen- oder Apfeljus-Herstellern, sondern eine Maildienst von weblaw.ch, einer Internetseite auf der es um Recht geht. Der Jusletter weist im August auf einen Krawatten-Leerlauf hin. Vom Amtsgericht Winsen wurden zwei Verteidiger zurückgewiesen, weil sie keinen Bindfaden trugen. Solch «ungebührliches Auftreten» sei eine «Missachtung der Würde des Gerichts». Als nächstes wird in Winsen wohl das Muster auf den Krawatten geregelt. Nicht mehr lange, und das Zeitalter der Perücken wird ganz ohne Street-Parade wieder eingeläutet. «Die offizielle Pflichtsprache ist der beste Knebel» sprach der polnische Satiriker Stanislaw Jerzy Lec. Gut sind die Zeiten der Knebelungen vorbei, und das Urteil konnte - eine Instanz höher - nochmals überprüft werden.

Als Teenager opponiert das jugendliche Alles-ist-möglich-Denken gegen Bekleidungsvorschriften. Mit zunehmendem Alter werden Bekleidungshinweise im Rahmen von Einladungen akzeptiert. Klar tragen auch Salz&Pfeffer-Streuer anlässlich von Jacky Donatz‘ 50-stem einen Smoking.

Aber was stört einen Richter auf der Suche nach dem Recht daran, mit einem Vis-a-vis ohne umgekehrten Galgen zu verhandeln? Die obere Instanz in Celle erklärte das Urteil aus Winsen für ungültig, der Fall muss nochmals - allenfalls auch mit Verteidigern ohne Krawatte - verhandelt werden. Bei der Geschichte geht es um eine Busse wegen Schwarzarbeit in Höhe von € 200.-. Schön hängt die Suche nach dem Recht nicht von einem idealen Kosten- / Nutzenverhältnis ab.

Das «Sie» ganz formell antragen

Nicht nur Richter, auch Deutsche Anwälte pflegen gepflegte Umgangsformen. Manchmal bringt das Geschäftsleben uns mit Personen zusammen, die sich durch einen solchen Juristen von ennet des Rheins vertreten lassen. War früher im Umgang mit jenem Rechtsvertreter ein freundliches Du die Regel, lernten wir anlässlich einer kleinen Meinungsverschiedenheit, wie unter Wahrung der Rechts-Etikette, ein Sie angetragen wird.

«Sehr geehrter Herr von Bhicknapahari, duzen wir uns etwa noch? Ich werde Sie jedenfalls Siezen, Sie täten es besser auch.» wurde per Mail mitgeteilt. Schweizer Anwälte schreiben vom hingeworfenen Fehdehandschuh, Deutsche greifen zum «Sehr geehrten Herrn». Was tun, wenn vom anderen Ufer mit solch harten Bandagen vorgegangen wird? Im Knigge nachschlagen? Im Verlag wurde es Zeit, ins Handbuch des Salz&Pfefferlandes zu klicken. Dort finden sich die hausinternen Spielregeln zum Thema Anreden. Unter anderem enthalten diese Bemerkungen wie «Der Herr ist im Himmel!!!» sowie «Das 'sehr geehrter' benützen wir nur als Misstrauenskundgebung. Denn das heisst ja, dass der andere schon so ein alter Sack ist, dass er sich mit Wappenscheiben ehren lassen muss.» So wacht Daniel E. via Handbuch, auf dass einige Grundprinzipien eingehalten werden. Niemand bei uns fühlt sich als alter Sack, ebenso sind wir nicht mit Wappenscheiben geehrt worden. «An der Sprache erkennt man das Regime» (Thomas Mann).

Sprachvandalismus?

Klar ist aus Sicht des Sehr geehrten Herrn Rechtsanwalts ein Schreiben aus dem Salz&Pfefferland fern von «zivilisierter Rechtschreibung». Schön für uns, wenn ein Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt noch ergänzt, Zeilen aus dem Salz&Pfefferland seien «Sprachvandalismus». Äusserst bedrückend wäre die Tatsache, wenn sich ein solcher Herr ob der Zeilen erfreuen würde. Also fühlen wir uns geehrt. «Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken» würde der Dichter Samuel Johnson nun schreiben. Bestimmt trägt der Herr Rechtsanwalt vor Gericht eine Krawatte.

Reichen 150 Tausend?

In Basel wurde aus politischen Gründen Geld gesammelt. Nachdem die Regierung während über zwei Jahren die Revision des Wirtegesetzes von Basel-Stadt in einer Amtsstube vor sich hin stauben liess, wurde Wirtepräsident Sepp Schüpfer aktiv. An der letzten Generalversammlung wurde einem Kampffonds zugestimmt. Mit 150 Tausend Franken soll mit Hilfe eines Rechtsprofessors Dampf gemacht werden. Notfalls könnte der Fonds um weitere 100 Tausend Franken erhöht werden. Ziel ist es, die derzeit umsatzabhängigen Pachtabgaben zu reduzieren. Rund 2,5 Millionen Franken bezahlen die Basler Baizer zur Zeit jährlich ins Staatskässeli. Klar, dass in der Regierung niemand daran interessiert ist, das Gesetz zu ändern.

Reichen 2.5 Million nicht bezahlen?

Als die Basler Wirte die Patentrechnung für das Jahr 2002 erhielten empfahl der Verband, diese Rechnung vorerst nicht zu bezahlen. Fünf freiwillige würden sich für ein Rekursverfahren zur Verfügung stellen. In diesem soll festgestellt werden, dass die derzeitige Abgabe gesetzeswidrig sei. Die Wirte werden durch den Rechtsanwalt und Professor Peter Böckli vertreten. Adressmässig erste Sahne und kostenmässig wohl die 150 Tausend Franken Kampffonds mehr als wert.

War es wegen diesem Druck, dass nun in diesen Sommer die Regierung sich regte? Das Dossier wird nun besprochen, die Revision des Wirtegesetzes an die Hand genommen. Natürlich lässt sich der Staat nicht einfach die liebgewordenen Einnahmen wegnehmen. Überlegt wird nun, ob man die bisherige Patentgebühr senkt und statt dessen durch eine neue Abgabe ersetzt. Professor Böckli wird es nicht langweilig werden.

Im Kanton Solothurn wurde vor kurzem die Patentabgabe bundesgerichtlich bestätigt. Es wird spannend, ob die Basler für eine faire Lösung auch bis nach Lausanne müssen und ob die Richter in Lausanne beim nächsten Mal eine Kehrtwende vollziehen.

Wallis als Beispiel?

Auch im Wallis wird zur Zeit die Revision des Wirtegesetzes besprochen. Einerseits sollen nun alle Betriebe dem Gesetz unterstellt werden, andererseits die Abgaben reduziert werden. Bisher störten sich die patentpflichtigen Betriebe daran, dass zum Beispiel Spitäler oder auch Gelegenheitswirtschaften keine Hürden für die Eröffnung eines Restaurants zu nehmen hatten. Mit der Revision sollen nun alle Arten von Restauration und Hotellerie einem vereinfachten Gesetz unterstellt werden.

Für die Basler Wirte interessant sein dürfte, dass im Wallis eine Gebührensenkung geplant ist. Insgesamt würden dem Kanton und den Gemeinden rund 1,4 Millionen weniger Einnahmen zufliessen. Der Kantönligeist im Wirtewesen lässt Neid aufkommen.

Alter Zopf beibehalten

Nicht abschaffen möchten die Walliser die Pflicht einer Wirteprüfung. Zum Beispiel müssten die Patentinhaber ein Mindestwissen über Sozialabgaben ausweisen, jedoch würden nach neuem Entwurf keinerlei Branchenkenntnisse geprüft. Das ist bescheiden gesagt leicht gaga. Ein super Wirt, dem das Rechnen oder die Bestimmungen der AHV weniger gut in den Kopf gehen als ein gutes Rezept, wird zum Bezahlen eines Strohmannes gezwungen. In jedem Kanton mit Patentpflicht finden sich regelmässig Inserate, in denen sich Patentinhaber kaufen lassen. Abschaffen wäre angesagt. In welchen anderen Branche muss sonst noch ein Unternehmer nachweisen, dass er sich zum Beispiel in Sachen Sozialleistungen auskennt? Muss die Kioskfrau am Bahnhof eine Prüfung über ihre Kenntnisse des AHV-Wesens ablegen? Oder der Ski-Vermieter?

Liegenschaftsamortisation und Pösteli zuhalten

Mit dieser Prüfungspflicht wird weiterhin an einem alten Zopf festgehalten. Wenigstens wird im Wallis die Ausbildungspflicht verkürzt. Vier Wochen soll der zukünftige Wirt die Schulbank drücken. Auch die Kosten für diese Schulung sollten damit einiges günstiger werden, bisher war für die Pflichtausbildung mit 10 Tausend Franken zu rechen. Auch Basel plant, an der Pflichtausbildung festzuhalten.

Hauptgrund der Wirteverbände, an solchen Fähigkeitsausweisen festzuhalten sind in den seltensten Fällen Qualitätsvorstellungen. Es geht den Verbänden zumeist darum, ihre da und dort recht teuer geratenen Liegenschaften weiter nutzen zu können. Und manchmal einfach darum, einem Altgedienten ein Prüfungspösteli zuzuhalten.

Leicht behindert

Rollstuhlfahrer sollen gleichberechtigt wie andere Bürger unterwegs sein können. Deshalb soll bestimmt werden, innert welcher Frist zum Beispiel öffentlich zugängliche Gebäude behindertengerecht ausgestattet sein müssen. Auch Restaurants. Klar ist der Wirteverband dagegen, bauliche Anpassungen kosten Geld. Sind die geplanten Vorschriften wirklich so daneben? Bis zu 20 Jahre Übergangsfrist sind vorgesehen. Der Wirteverband möchte wohl am liebsten 200 Jahre.

Innert welcher Frist sollte denn ein durchschnittliches Lokal ohnehin wieder einmal aufgefrischt werden? Sind 20 Jahre in unserer Zeit ein zu kurzer Zeitraum? Vor 20 Jahren steckte zum Beispiel der erste IBM PC mit 4,77 Mhz in den Kinderschuhen. Würde jemand heute noch mit einem solchen Modell arbeiten? Eben. Deshalb könnte während einer ohnehin notwendigen Auffrischung auch eine behindertengerechte Anpassung vorgenommen werden.

Frankreich als Abschreckung

In Frankreich kehren wir in vielen Lokalen mit Druck auf der Leitung angewidert vom WC zurück. Ein Klo mit lediglich einem Loch im Boden sagt uns nicht zu. In solchen Häusern wurde eben schon lange nicht mehr renoviert. In der Schweiz sind wir zumeist über das Loch-im-Boden-Klo-Stadium hinaus. Genau so selbstverständlich müsste nun der nächste Schritt sein.

Langfristig gesehen erweisen die Funktionäre mit dem Nein zu behindertengerechten Bauten ihren Mitgliedern einen Bärendienst. Den Wirtefunktionären wäre zum Beispiel Paco Underhill als Lektüre zu empfehlen. «Why we buy» heisst das Buch. Darin beschreibt er, wie sich mit zunehmender Überalterung der Bevölkerung der Verkauf von Fortbewegungsmitteln entwickeln könnte. Immer häufiger würden ältere Leute mit den elektrischen Minifahrzeugen unterwegs sein. Auch in der Schweiz müsste dem einen oder anderen die stetige Zunahme solcher Gefährte auffallen. Wohl werden in Zukunft diese Fahrzeuge nicht gleich direkt von der Strasse ins Restaurant fahren. Vielleicht jedoch die zukünftigen Kleinausgaben davon. Klar ist, dass deren Benützer nicht mehr wie ein junges Reh unterwegs sind und einen gewissen Komfort verlangen. Wer sich hier nicht vorsieht, dem fehlen irgendwann die Gäste mit den schönen Kreditkarten, Gäste die ihr Sparkapital ausgeben möchten.