2002 Tabasco 5

Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt. (Duchamp)

Während im Tinguely Museum Basel eine Duchamp Ausstellung stattfand, wählten die Delegierten des Wirteverbandes in Sarnen die neue Verbandsspitze. Statt Tinguelys Heureka ächzten die künstlichen Hüftgelenke, statt Pressluftzischen aus einer Installation schnauften reale Männer. Natürlich fiel kein so hintergründiges Bonmot wie das oben zitierte von Marcel Duchamp. Spannender als die Frage, ob nun ein Berner oder ein St. Galler das Rennen an der Spitze machen würde war, ob Romano weiterhin als Vizepräsident bis zur bereits greifbar nahen Rente amten darf. Wird einer in das reorganisierte Gremium gewählt um in Kürze der Alters-Guillotine wegen gleich wieder durch einen neuen ersetzt zu werden?

Der Verband stecke in einer richtungweisenden Strukturreform lässt die Zentrale an der Blumenfeldstrasse verlauten. Deshalb solle der Zentralvorstand nur noch aus aktiven Wirten und Hoteliers bestehen war einer der Reform-Vorschläge von wachen Delegierten. Ist Romano ein aktiver Wirt und deshalb darf er? Und siehe da, ob aktiv oder nicht, er darf. Er darf nun dem jungen Nachwuchs sagen, wie ein Wirte-Präsi zu funktionieren hat. Er darf darum besorgt sein, dass die Wirtebegeisterung für das alte Gedankengut erhalten bleibt und dieses auch auf die neue Crew übergreift. Ganz unbemerkt dringt dieses Virus ein, lässt keinen Kalk ansetzen, aber betoniert im Hirn des neuen Präsidiums die Erfahrung von Romanos 10 Vize-Präsidial-Jahren. Was genau war Romanos Leistung in diesen Jahren? Waaassss, ihnen fällt gerade nichts ein?

Gemäss Eigenwerbung kenne die GastroSuisse die Probleme ihrer Branche in der Öffentlichkeit und könne entsprechend agieren oder darauf reagieren. Aber kennt der Verband sein eigenes Problem? Der Berner wird mit Romano jassen, so versteht man sich guteidgenössisch und das Alte bewahrend.

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Die Statistik weist jährliche Zunahmen von einigen hundert gastgewerblichen Betrieben aus. Einige hundert mehr Betriebe pro Jahr, davon müsste auch der Mitgliederbestand der Gastrosuisse profitieren. Schön wär’s. Entwickelt sich dieser Mitgliederbestand weiter nach unten wie bisher, ist Mitte des Jahres 2002 die 20'000-er Grenze unterschritten.

Was könnte Grund für eine Mitgliedschaft sein? Die Ehre, weil nicht jeder diesem Verband beitreten darf? Eine Reputation, weil als Mitglied gewisse Kriterien erfüllt werden müssen? Bis jetzt nicht, denn jeder Wirt kann dem Verein beitreten. Also weshalb nicht einmal ein Minimum verlangen? Bitte nichts Kompliziertes, sondern etwas ganz einfaches. Zum Beispiel Gastfreundschaft.

Auch das Isebähnli, Mariannes älteste und originellste Weinstube Zürichs an der Froschaugasse, darf Mitglied bei der Gastrosuisse sein. In diesem Lokal wird eine besonders originelle Art von Gästeumgang gepflegt. Ein schweizer Anwalt suchte mit einem südafrikanischen Kollegen, mit dem er im Isebähnli essen wollte, auf der Karte etwas Vegetarisches zum Wein. Weil nur der Salat diesem Kriterium entsprach, bestellten sie halt eine Käseplatte. Statt Wein und Käseplättli erhielten die beiden jedoch abschätzige Bemerkungen der Chefin quer durch die ganze Stube zu hören. Bedient wurden sie nicht, und deshalb verliessen sie nach einiger Zeit diesen Ort der Unfreundlichkeit.

Tourismusverhinderung durch den Wirteverband

Die Reaktion des Wirteverbandes auf die schriftliche Reklamation des Gastes: Ein nettes Schreiben an die originelle Marianne und damit hat sich’s. Bravo. Beste Reklame für das Tourismusland Schweiz vom Verband, der die Probleme zu kennen glaubt. Neuestes Problem: Aus Südafrika ist mit weniger Touristen zu rechnen.

Wer möchte in einem solch zahnlosen Verband dabei sein? Damit wir uns richtig verstehen, das zahnlos bezieht sich nicht auf das Alter des Vizepräsidenten. So wie das mit einem rassistischen Anflug versehene Vorgehen im Luzerner Bahnhofbuffet (S&T 02/2002) wird auch Mariannes Originalität vom Verband toleriert. Toleranz und Lebensfreude heisst übrigens eine Aktion des Verbandes... An der Blumenfeldstrasse haben die etwas gründlich Missverstanden.

Wohl in den Karten verkuckt?

Die originelle Marianne vom Isebähnli schaut dann und wann mit Hilfe von Karten in Zukunft. Sie könnte mal schauen, wann die 20‘000-er Grenze beim Mitgliedsbestand des Wirteverbandes definitiv unterschritten wird. Im eigenen Interesse könnte sie vorausschauen, was bei ihr im Laden laufen und überlaufen könnte. Zieht sie die Karte mit einem Wassermann? Diese liesse nach solchem Umgang mit netten Gästen Ungemach voraussehen. Wohl hat sich Erwin Kessler nach eigenem Bekunden aus der operativen Ebene des VgT zurückgezogen. Aber seine Jünger sind noch aktiv. Zum Beispiel jene, die mit WC-Papierrollen aus Protest gegen den Foie-gras Service die Flughafen-WC’s lahmlegten. Solch bewährte Ideen könnten auch in der Zürcher Altstadt angewendet werden. Eine originelle Idee für Marianne wäre, im Isebähnli sicherheitshalber auf Closomat umzustellen und das WC Papier in einen Tresor zu sperren.

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Seit Jahren predigt unser Schwestermagazin Salz&Pfeffer, es würde keine Inserate annehmen, wenn damit gleichzeitig ein redaktioneller Beitrag verlangt werde. Im Juni wurde wieder mal versucht, an dieser Festung zu rütteln. Eine nette Wirtin teilte mit, sie hätte noch nie etwas über sich im Salz&Pfeffer gelesen, und deshalb würde sie dort nicht inserieren, aber wenn wir etwas nettes schreiben würden... Bravo, ehrlicher geht’s nimmer. Sie sieht dabei kein Problem. Ich kaufe mir mit einem Inserat meine Gastrokritik und ergeile mich der Zeilen. Ein solcher Beitrag entspricht zwar etwa dem Wert eines gekauften Doktortitels einer Universität in Tierragolfvuego, bei einigen jedoch hebt ein solches Papiirli den Glauben an ihre eigene Substanz etwa gleich wie Viagra den ... IQ.

Selbst gekaufte Streicheleinheiten

Nicht nur Wirte wollen selbst gekaufte Streicheleinheiten. Auch die Lieferanten der Branche suchen sich eine Prostituiterte in Form eines käuflichen Blattes. Jedes Bedürfnis findet auf dem freien Markt einen Befriediger. Klicken Sie auf www.swisspass.ch und dort auf die Mediadaten 2001/2002 von Food-Hygiene, dem Fachinfoblatt für moderne Küchenhygiene. Verbreitet wird diese saubere Sache vier mal jährlich in einer Normalauflage von 6‘000 Exemplaren, 80 Prozent davon kostenlos. Das Jahresabo kostet Fr. 16.-, exklusive 2.3 Prozent Mwst. Klar, die wissen über Hygiene Bescheid. Deshalb weiss die Verlegerin nicht, dass hier der Staat 2.4 Prozent Mwst. verlangen wird. Ist auch nicht wichtig, René Frech verlangt auch im Sommer 2002 noch verururaltete 2 Prozent für sein Gratismagazin. Ob nun 2 oder 2.3 Prozent von Gratis spielt keine Rolle. Heraus kommt eine Nullnummer. Wie Gratis nicht nur das Verteilen sondern auch der Inhalt ist, offenbaren die Media-Daten.

«Produkt-Info als Beigabe zu einem Inserat» heisst die Spalte. Offeriert wird die «Veröffentlichung eines Textes, kostenlos bis zur 1.5-fachen Fläche des Inserates; bei grösserem Textumfang à Millimeterpreis». Na, das isch doch Musig. Eine Seite Inserat für 2‘800 Stutz buchen und gleich noch 1 ½ Seite Text dazu erhalten. 2 ½ Seiten für Zweitausendachthundert Stutz, gleich knapp über Tausend Stutz pro Seite. 2 ½ Seiten die der Verleger ohne eine einzige eigene Zeile zu schreiben, Gott behüte gar mit einer kritischen, ins Heft drucken kann. So lässt sich’s Geld verdienen. Endlich mal ein mutiger Verlag der gleich sagt, wie käuflich dessen Seiten sind. Mich kann man kaufen und jetzt ist gerade Sommerschlussverkauf. Zweikommafünf für eins. Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Produkte-Lobhudelei im Doppelpack für elfzwanzig. Schon etwas Feines. Selbst verfasste keimfreie Zeilen abgedruckt zu finden und glauben, die Leser würden dann meinen, ein Journalist habe da so nett und überzeugend über diese Bude gedichtet. Shame on you. Eine weitere Verluderung der Branche wenn nicht mehr nur im Geheimen, sondern höchst offiziell via Inserat im Huckepack zusätzlich Text-Seiten verkauft werden. Qualisan Institut GmbH lautet die Adresse von Redaktion und Verlag. Eigentlich liesse dies auf Qualität schliessen. Wie Buchstaben täuschen können... Hygiene-Blatt, ein Synonym für Journalismus auf WC-Papier?

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Schauen Sie sich den Inserateausriss an. 55 Franken für ein 6-Gang Menu mit Suppléments. So wie der Befriediger auf die Hygiene-Fetischisten wartet, sucht hier der Masochist in der Küche sein Gratisarbeitsheil. Was bedeuten 55 Franken für dieses Megagaangebot im Detail?

Total 55 Franken, abzüglich ein Cüpli, das je nach Inhalt mit 7 – 12 Franken auf der Kasse getippt wird, abzüglich einen 3-er Barbera, Fusel darfs nicht sein, s’ist ein feiner, berechnen wir ihn hier mit 12 – 18 Franken Normal-Umsatz, abzüglich ein Expresso der je nach Betrieb mit 3 – 4 Franken belastet wird, abzüglich einen Grappa, je nach Jahrgang und Hersteller normalerweise 5 – 10 Franken, bleiben für das 6 Gang-Menu im Schnitt noch 20 Franken Umsatz übrig. Ähm, davon wären dann mittels Rückrechnung noch 7.6 Prozent Mwst abzuliefern...

Seit langem wird das Essen zu billig verkauft. Schöner als an diesem leicht überrissenen Beispiel können wir‘s nicht erklären. Deshalb eine Bitte an Maryline Gyglio: Dürfen wir einen Blick in die Kalkulation werfen? Einfach auf’s eMail legen. Auch wir machen Fehler und würden in diesem Fall Maryline Gyglios Rechnung gerne abdrucken.

Gemäss Eigenwerbung kenne die GastroSuisse die Probleme ihrer Branche. Einen gerechten Preis für ein ordentliches Essen bezahlt erhalten wäre so ein Problem.

Ein Achtel als Busse

Was für ein 6-Gang-Menu soll mit 5 – 7 Franken Einstandspreis gekocht werden, wie soll Wirtin mit solcher Selbstausnützung Ende Jahr ein erfreuliches Resultat ausweisen?

Aber was schreiben wir da Depressives über die Ertragsaussichten der Branche. Es gibt Wirte, die verdienen Geld. Zum Beispiel jener, der mittels allzugütiger Hilfe eines städtischen Arbeitsamts-Beamten in seinem Füdliclub Mädchen tanzen liess. Zu 5'000 Franken Busse verurteilte ihn das Bezirksgericht für seine grosszügige Beamtenpflege, in Gerichtsdeutsch Vorteilsgewährung genannt. Die Busse basiert auf dem Einkommen des 38-jährigen. Der Cabaretchef verdient 40'000 Franken. Monatlich. Beim 6-Gang Menu könnte Neid aufkommen.