2001 Last call for Euro

Last Call for Euro

Gehen Sie in die Ferien, und zwar möglichst vor Ende Februar 2002! Zum Beispiel um nach der IGEHO die wundgelaufenen Füsse hochzulagern und die malträtierte Leber zu regenerieren. Reisen Sie in ein zukünftiges Euro-Land um alle Barbestände die in ATS, BEF, DEM, ESP, FIM, FRF, IEP, ITL, LUF, NLG, PTE und GRD die in Ihrem Heim, im Sparschwein und -Socken oder einer Reisetasche herumliegen, auszugeben. Nach dem 1.1.2002 wird das Umtauschen dieser Währungen je länger je schwieriger werden. Münz wechselt ohnehin keine Bank, und bei den Noten ist ein Essen ennet der Grenze wohl angenehmer als der Wechselkursverlust in der Schweiz.

Stefan Schramm, unser Gourmesse Macher, hat in der DDR erlebt, wie der Übergang von Ost-DM zu West-DM beim Volk auf der Strasse ruck-zuck-zack-zack innert wenigen Tagen stattfand.

Beim Euro wird die Währungsrevolution wohl e chli länger dauern. Voraussichtlich während 2 Monaten sollen in den Euro-Ländern die jeweiligen Währungen parallel mitgeführt werden. Aber danach gilt’s ernst. In 12 Ländern wird in den Portmonnees ein Einheitsbrei mitgeführt werden.

Einigen ist dieses Geld schon im täglichen Geschäftsleben begegnet. Seit der Einführung des Euros in Buchgeldform vor 3 Jahren beschäftigt sich zum Beispiel die exportorientierte Maschinenindustrie mit Offert- und Rechnungsstellung in jener Währung. Zum Ausgleich des Kursrisikos mussten ihre Zulieferanten ebenfalls in Euro offerieren und so das Kursrisiko des grossen Auftraggebers mittragen. Vogel friss oder stirb, den letzten beissen die Hunde.

Nun wird die Währung nicht mehr nur als Buchgeld, sondern in real fassbaren Münzen und Noten in die Schweiz getragen.

In Kürze werden sich die Bewohner aller an die Schweiz angrenzenden Länder (das Ländle ausgenommen) daran gewöhnt haben, dass sie weder Pass noch Fremdwährung bei einem Grenzübertritt innerhalb der 12 Euro-Länder benötigen. Werden sie bei einem Schweiz-Besuch noch Geld wechseln? Oder wird der Euro in der Schweiz so selbstverständlich werden wie der US-$ in Mexiko und anderen Staaten?

Bundesrat Couchepin war anlässlich des Euro-Symposiums im Kongresshaus Zürich der Ansicht, dass er Euro sich sicher nicht als Zweitwährung etablieren werde.

Gemäss einer Umfrage des GfS-Forschungsinstituts (www.gfs.ch) rechnen jedoch 83% der Stimmberechtigten damit, dass der Euro nebst dem Franken zu zweiten Alltagswährung in der Schweiz werden wird. Eine Möglichkeit die ein Hotelier aus Brig auch als realistisch erachtet. Wer wird nun recht erhalten, das Volk oder seine Vertreter?

78% des Stimmvolkes sehen den Hauptvorteil im Euro in den vereinfachten Preisvergleichen. Könnte es sein, dass die Aussicht auf günstigere Preise die Treue zum Franken unterwandert?

Falls man solchen Umfragen glauben darf, müsste eine Aussage die Alarmglocken läuten lassen: Erst 31 % der ArbeitnehmerInnen haben bisher bemerkt, dass ihr Betrieb Massnahmen für den Moment der Einführung des Euro getroffen hat.

Ist es wirklich so schlimm? Einer der sich bestimmt schon Gedanken zum Euro und dessen Umsetzung im Betrieb gemacht, ist der Hotelier aus Brig. Ein Telefon, ein paar Fragen, ein paar ausführliche Anworten und es ist klar: Peter Bodenmann hat seine Hausaufgaben gemacht. Er offeriert bereits in Euro. Damit er nicht unnötige Wechselkursverluste hinnehmen muss, lässt er diese auf einem Euro-Konto gutschreiben und überlegt sich, was er direkt in einem Euro-Land damit einkaufen könnte.

Nicht nur der Hotelier aus Brig, auch die übrige Tourismus-Welt beginnt in Euro zu rechnen. Sogar im Dauerrevolutionärsland Kuba überlegen sich die Hoteliers, die Verträge mit den Reiseveranstaltern in Euro abzuschliessen. Dort wird die Pro-Euro-Haltung auch mitgetragen von der Catroianischen Abneigung gegen alles was vom Klassenfeind kommt.

Orte wie Basel, Genf oder Schaffhausen, Bahnhöfe, Flughäfen oder Autobahnraststätten werden bestimmt dazu übergehen müssen, den Euro als übliches Zahlungsmittel zu akzeptieren. Einige haben bisher bereits DEM, FRF und andere Währungen entgegengenommen. Für diese ist das Verschwinden von 12 Währungen zu Gunsten von einer einheitlichen eine Entlastung.

Fragt sich, ob nur Noten oder auch die Münzen angenommen werden sollen?

Fragt sich, ob das Retourgeld auch in Euro oder in Franken herausgegeben werden soll?

Ersteres hiesse, einen vollständigen Kassastock-Bestand in Euro zu führen. Das kostet Geld in Form von unverzinst herumliegendem Geld.

Letzteres könnte, je nach gewähltem Wechselkurs, dem Kunden einen Kursverlust bescheren.

Die Banken werden voraussichtlich keine Euro-Münzen entgegennehmen. Müssten also Autobahnraststätten-Betreiber vom Glarnerland oder Würenlos jeweils regelmässig mit den Euromünzen einen Ausflug nach Deutschland zur Münzloswerdung einplanen? Nicht ganz gratis so ein Ausflug ins Nachbarland, diese Nebenkosten müssten mit zur Marge für das Währungsrisiko geschlagen werden. Wer soll das bezahlen? Der Euro-Bürger für den Kursdifferenzen kein Thema mehr sind? Deshalb meidet der Kluge wohl Euro-Münzen im Kässeli.

Es wird sich vorerst einbürgern, dass eine Zahlung mit Euro-Noten möglich ist, und das Retourgeld in Franken ausbezahlt wird. Verkäufer sind deshalb gut beraten, mindestens über eine Registrierkasse mit dieser Rechenfunktion zu verfügen.

Bei aller Gästefreundlichkeit die wir Schweizer als Tourismusland zeigen wäre es bestimmt zuviel verlangt, wenn im ganzen Service-Tohuwabohu einer vollbesetzten Sonnenterrasse ein Gast mit Euro bezahlen möchte und Franken für die Parkuhr heraus haben möchte, der nächste Euro als Retourgeld wünscht und der Dritte die Rechnung kombiniert mit Euro und seinem restlichen Schweizermünz bezahlen möchte. Da wäre sonst eine Bänkler- statt Servicelehre angesagt sein. Schweizer Herausgeld wird aber sicher nur so lange entgegengenommen, als nicht via Wechselkurs lediglich ein Kursrisiko abgefedert, sondern ein echter Zusatzverdienst angestrebt wird.

Falls wirklich erst 31% der Schweizer Betriebe Massnahmen im Zusammenhang mit dem Euro an die Hand genommen haben, wann folgen die restlichen? Wann werden die restlichen Betriebe an der Kasse eine Brochure auflegen, in der die Mitarbeiter über das Aussehen der neuen Banknoten und Münzen informiert wird? Sonst riskieren Unwissende, ab Januar den Falschgeldherstellern zu Grossumsätzen zu verhelfen. Die Noten sind auf dem Internet bereits abrufbar, ein guter Farbdrucker, ein ahnungsloser Kassier, und schon ist's passiert. Was Teenagern letztes Jahr im Aargau mit Schweizerfranken-Nötli gelang, dürfte mit dem unbekannten Euro sicher auch möglich sein. Aber damit eines klar ist: Wir wollen hier nicht zum Druck von Euro-Nötli als Nebenverdienst animieren.

Die einheitlichen Euro-Banknoten werden in 7 Stückelungen erhältlich sein, nämlich 5, 10, 20, 50, 100, 200 und 500 Euro. Die Münzen werden in 8 Stückelungen zu 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Cent sowie zu 1 und 2 Euro im Umlauf sein.

Kantönligeist im Euroland heisst, dass bei den Münzen die verschiedenen Länder unterschiedliche Sujets auf der einen Seite prägen dürfen. Bei den Belgiern etwas einfallslos ein Königskopf, bei den Deutschen natürlich Adler und Brandenburger Tor, bei den Finnen heraldische Löwen und fliegende Schwäne.

Wie die Noten aussehen werden zeigt die Web-Site http://www.euro.ecb.int/de/section/testnotes.html. Von dieser Site aus lässt sich auch die Münz-Vielfalt finden.

Was tun, wenn nun die Euro-Länder in Zukunft ihre Ferien in Euro buchen und mit den neuen Nötli oder auch mit Kreditkarte bezahlen möchten? Wohin mit dem Geld? Betriebe mit Umsätzen ab Fr. 100'000.- können bei ihrer Bank vorsprechen und, falls der Geldfluss einigermassen sicher geplant werden kann, die Euros auf Termin verkaufen. Nur, was ist heute schon sicher?

Andere werden sich ähnlich dem Hotelier aus Brig Gedanken machen, was für Einkäufe sie in Euro tätigen könnten. Betriebe mit Grenzgängern werden sich gelegentlich überlegen, ob der Lohn der Grenzgänger nicht gleich in Euro ausbezahlt werden könnte. Weshalb denn die Euros in Franken umwandeln um sie danach als Lohn auszuzahlen wo doch diese Franken ennet der Grenze gleich wieder in Euros benötigt werden? Da könnten sich Arbeitgeber und -nehmer die eingesparte Kursdifferenz brüderlich oder schwesterlich teilen.

Wann wird der erste Betrieb einen Arbeitsvertrag mit Grenzgängern oder Saisoniers  gleich in Euro abschliessen? Schliesslich würde mit einem solchen Vorgehen die Kaufkraft der Mitarbeiter nicht geschmälert. Allerdings dürften Kursschwankungen wohl bei unterschiedlich entlöhnten Mitarbeitern (Euro für Grenzgänger, sFr. für hier niedergelassene) zu Diskussionen führen. Auch der Mindestlohn-Passus im L-GAV würde bei sinkendem Euro-Kurs wohl ein Thema, obwohl die Kaufkraft der Lohnbezüger im Heimatland gar nicht unbedingt betroffen wäre. Da werden sich einige Funktionäre gelegentlich Gedanken machen müssen.

Ein Umfragewert auf www.gfs.ch dürfte EU-Befürworter auf eine sukzessive Öffnung des Stimmvolkes hin zu Europa hoffen lassen. Die Feststellung „Der Euro macht uns tagtäglich klar, dass wir vom Integrationsprozess ausgeschlossen sind“ wird von 51% der Stimmbürger mit ‚trifft eher zu‘ und ‚trifft bestimmt zu‘ beantwortet. Ob das nun positiv oder negativ zu werten ist, ist Auslegungssache. Der Hotelier aus Brig und der Milliardär aus Herrliberg könnten sich hierzu in einer Arena sicher bestens unterhalten.

Falls Sie keine Zeit für Ferien finden, dann spenden Sie das Münz einer karitativen Institution. Im Flugzeug werden hierzu jeweils Couverts verteilt. Schlussendlich landen z.B. bei Kuoni/Edelweiss gesammelte Fremdwährungen bei SOS Kinderdörfer, Viktoriastr. 34, 3084 Wabern. Die nehmen das Geld bestimmt auch ganz ohne Flugzeugcouvert.