2001 Kolumnen 5

 

Alkohol am Steuer

Aus dem aktuellen Jahresbericht der GastroSuisse: "Bis heute konnte noch nicht glaubhaft belegt werden, dass die Verkehrssicherheit durch eine Herabsetzung des Blutalkoholgrenzwertes nachhaltig verbessert werden kann." und "Die Senkung wird auch weiterhin so lange mit allen Mitteln bekämpft werden, als nicht eindeutig bewiesen werden kann, dass dadurch die Verkehrssicherheit nachhaltig verbessert wird." Die schlanken, FitnessCenter gestählten, mit Mineralwasser und Rohkost zu Höchstleistungen getrimmten Körper und Geister der GastroSuisse-Führungsriege haben natürlich keine Erfahrung mit Alkohol am Steuer. Sonst wären solche Ausführungen im Geschäftsbericht nicht zu erklären.

Hämmer no Unwüsseheit. Sind hochbezahlte Funktionäre nicht fähig und mutig genug, vor das Publikum zu stehen um zu sagen was Sache ist? Die Frage, ob nun 0.5 oder 0.8 Promille der zukünftige Grenzwert sein soll ist doch ähnlich derjenigen, ob eine Tempobeschränkung auf Null, 50 km/h oder 100 km/h angesetzt werden soll. So wie die Autovertreter klar gegen Tempo 30 auftraten, möchten die Vertreter der GastroSuisse im Interesse ihrer Mitglieder 0.8 Promille verlangen. Aber sie trauen sich nicht einmal, dies in ihrem eigenen Geschäftsbericht den Mitgliedern mitzuteilen.

Wieviele Verkehrsopfer mehr oder weniger ist uns unsere Mobilität wert? Wieviele Bürger werden durch eine Senkung des Grenzwertes zusätzlich kriminalisiert? Ab welcher Grenze wird niemand mehr die Vorschrift ernst nehmen und in Kauf nehmen, sich in die Reihe von Vorbestraften einzureihen? Etwa so wie vor Jahren die Velofahrer, die so lange ohne Licht herumfuhren, bis nur noch Reflektoren vorgeschrieben wurden. Ob nun die Verkehrssicherheit bei 0.5 Promille um das 2-Fache, und bei 0.8 Promille um das 4-Fache oder nur um das 3-Fache beeinträchtigt wird, das muss doch nicht bewiesen werden. Beeinträchtigt wird sicher. Das weiss jeder der schon mal ein oder zwei Glas Wein getrunken hat. Zumindest jeder der nicht Funktionäre der GastroSuisse ist. Die möchten bekämpfen bis eindeutige Beweise vorliegen... Oder stammt das Zitat aus dem Bericht des Zürcher Frauenvereins für alkoholfreie Wirtschaften?

Weinwissen gefragt

Wieviel dürfen 2dl Wein und ein Espresso kosten? Ein halbe Seite füllte das Thema im Expresso, der Zeitschrift der schweizerischen GastroGewerkschaft. Eine Briefschreiberin ereiferte sich darin über Fr. 47.50 die sie für 2 dl Wein und einen Espresso bezahlt habe. Der Wein sei in 5cl Portionen auf der Karte aufgeführt und das sei beim Bestellen übersehen worden. Und Fr. 10.50 für 5cl Weisswein sei e chli zu teuer, auf eine 7.5 dl Flasche hochgerechnet ergäbe das ja Fr. 157.50 und somit eine Wahnsinnsmarge.

Auch Salz&Pfeffer erhielt den Leserbrief und fand, 5 cl könnten schon eine komische Preisanschrift sein, aber die Abteilung Leserbriefe liess sich nicht weiter darauf ein.

Eine genauere Analyse des Sachverhalts zeigt nun jedoch folgendes: Beim Zweier Weisswein handelte es sich nicht einfach um Weisswein sondern um einen Tokaj, einen Süsswein. Einer der Louis benamsten Könige soll Madame Pompadour einen Tokay mit den Worten "C'est le roi des vins et le vin de rois" offeriert haben, andere bezeichneten den Wein dieser Region als Nektar der Götter. Einen solchen Tropfen bestellen die wenigsten einfach so Zweideziweise. Der trinkende Begleiter der Briefschreiberin hat wohl nicht gewusst, was er bestellt und auch sie selbst weiss nicht, was da getrunken wurde. Tokaj 5 Puttonyos wird jeweils in 5dl Flaschen abgefüllt. Wer diesen Wein auf eine 7.5 dl Flasche hochrechnet, liegt falsch. Wieviele Portionen à 5 cl lassen sich von Hand ausgeschenkt aus einer Flasche gewinnen. Je nach Gästefreundlichkeit und ruhiger Hand des Barmans ca. 8 Portionen. Das wären somit Fr. 84.- Umsatz. Eine Flasche Tokaj 5 Puttonyos Jahrgang 1993 kostet im Einstand ca. 30 Franken. Die Jules-Verne Bar kommt bei diesem Verkauf auf einem Faktor von 2.8. Von der Marge her also kein überissener Preis für einen speziellen Tropfen. Warum denn nur das ganze Geschrei und halbseitige Druckerschwärzenvergeudung ob dieser Konsumation? Oder wusste der Besteller was er trank und glaubte ein Schnäppchen zu machen? Wie auch immer, dä Schuss isch hine-use.

Inder statt Chinesen!

Edith Strub, Verkehrsdirektorin von Zürich, glaubt Zürichs Zukunft liege in China. Sie freut sich auf reiche Chinesen die uns tourismusmässig beglücken könnten. Das dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit hörige der heutigen Führungsriege sein. Chinesische Funktionäre die dafür sorgten, dass Russland, Asien und Afrika dagegen stimmten und die Lateinamerikaner sich der Stimme enthielten als es darum ging, China wegen Verstosses gegen die Menschenrechte zu verurteilen. Für einmal hätte es zumindest nicht an den Amis gelegen, eine solche Resolution durchzubringen. Aus Spionageflugzeuggründen haben die plötzlich festgestellt, dass die Chinesen es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen. Da schauen sie schon mal darüber hinweg, dass im eigenen Land auch mal zu unrecht zum Tode verurteilt wird.

Mensch von der Strasse mag so Machtspiili im Politik-Bereich nicht. Zum Boykott von China-Restaurants schreiten? Geht nicht, viele davon sind Vietnam-Flüchtlinge, das trifft die falschen. Boykott von China-Hühnchen und China-Eiern aus deren Fabriken? Ginge es den Hühnern dann besser? Vielleicht schon, ein Land das mit seinen Bewohnern nicht gerade pflegeleicht umgeht, wird mit den Hühnern noch viel weniger freundlich umgehen. Wenn allerdings die Hühner in China nicht mehr in Fabriken gehalten würden, dann wären die Hühner schlussendlich besser dran als die Menschen... Ein Boykott bringt nix. Mensch auf der Strasse kann nur zuschauen, wie der Zentralpräsident irregeleitete Gedanken verfolgt. Zum Glück hat unsere Staatsmutter Ruth kein diplomatisches Blatt vor den Mund genommen. Es müsste doch nicht nur ihr klar sein, dass ein Land das mit Panzern den Tienamen-Platz räumt, Tibet mit Füssen tritt und Galgen oder Genickschuss in Serie anwendet, verurteilt werden sollte. Schon bald wird Indien die Chinesen in Sachen Bevölkerung überrundet haben. Liebe Edith, Inder wären mir als Gäste sympathischer. Zugute halten kann man den Chinesen allerdings eines: Noch sprengen sie ihre Bürger nicht.

Sprengen verboten

Die Österreicher sind doch nicht so doof wie uns die Witze glauben machen. Ich schwöre, es war nicht der 1. sondern der 18. April 2001 als der Beweis dazu erfolgte. Via Radio Vorarlberg um die Mittagszeit. Wer bei Rindsgulasch zu Tische sass, bestellte eine Kotztüte. Über den Äther teilten Landesväter mit es sei nun verboten, Kühe in den Alpen zu sprengen. Wie bitte? Ja genau, es wird nun verboten, Kühe in den Alpen zu sprengen. Das wussten sie nicht. Kühe sprengen ist normal. Nicht zu Tausenden aber so -zig könnten es im Vorarlberg schon sein. Es sei zwar billiger verstorbene Kühe zu sprengen als mit Heli oder sonstwie ordentlich und pietätvoll zu entsorgen. Aber die Sprengung hinterlasse manchmal grössere Kadaverteile. Das sei tourismusmässig nicht so verkaufsfördernd und gehöre deshalb verboten... Nicht der Umgang mit einem verstorbenen Lebewesen, sondern die Rücksicht auf die Touristen trug zum Umdenken bei.

Wie sprengt man eine Kuh? Muss sie zu Lebzeiten Sprengstoff fressen, werden Dynamitstangen in das tote Tier gesteckt oder wurden sie vom Militär als Zielscheibe für Bazooka-Testschüsse verwendet? Etwa so wie in den Shooting-Ranches in Kambodscha? Zum Glück wurde ich nie Lawinenopfer in den Austria-Bergen. Was wäre Ötzi alles erspart geblieben, wenn er gesprengt und nicht der Wissenschaft erhalten geblieben wäre?

Im Hintergrund läuft "Stimmhorn". Christian Zehnders Stimme und Balthasar Streiffs Alphorn. Beim Zuhören an die heile Welt auf der Alp glauben. Schön wärs.

Als es in der Schweiz um eine gesetzliche Regelung in Sachen Tiere ging, brachte es ein netter SVP Nationalrat fertig, die jahrelange Vorbereitungsarbeit mit seinem Vorstoss zunichte zu machen. Innert kürze unterschrieben danach erzürnte Stimmbürger eine Verfassungsinitiative. Und was möchten die Volksvertreter in Bern daraus machen? Lieber keine Verfassungsänderung, sondern gleich ein Gesetz! Was da abgeht sprengt den Rahmen des rational erklärbaren...

Monique Rijks wechselt das Metier

Am 27. April 2001 morgens um 6 liegt der Tagi inklusive Züri-Tipp im Milch-Chäschtli. Darin berichtet Monique Rijks von der Fischstube. Diesmal war sie superschnell und hatte eine Primeur sondergleichen! Am Freitag Morgen um 6 war bereits ihr Qualitätsurteil über die Bedienung der Fischstube zu lesen. Die Beschreibung der Fischstube im Präsens, die Beschreibung des alten Casinos in der Vergangenheitsform. Aber woher nur hatte sie das Wissen um in Gegenwartsform zu schreiben? Das Restaurant Fischstube war zum Zeitpunkt als die Journalistin ihre Zeilen tippte, noch gar nicht eröffnet. Seit Oktober 2000 lag es im Winterschlaf. Im Jahr 2001 hatte darin noch gar nie eine Bedienung stattgefunden. Die neue Saison begann erst ca. 12 Stunden nachdem die Zeitung gedruckt war... Es scheint als seien Monique Rijks Feststellungen von hellseherischen Fähigkeiten geprägt, von übersinnlicher Kraft geleitet, sauber recherchiert, vor Glaubwürdigkeit strotzend statt im Horoskop in die Gastrospalte gerutscht. Ob die Beschreibungen über das Lake-Side im Artikel stimmten oder ob die ganzen Zeilen eine Auftragsarbeit waren, konnte noch nicht überprüft werden. Wohl wurden wir auf der Terrasse des Lake Side begrüsst und durften uns setzen und sagen, dass wir etwas essen möchten. Aber irgendwo aus dem Hintergrund wurde unserer Bedienung dann angewiesen uns wieder wegzukomplimentieren. Mit Hunden darf Frau und Mann dort auch nicht auf eine nur zur Hälfte gefüllte Terrasse. Weil da offensichtlich die linke Hand nicht wusste was die rechte will, kam nicht etwa ein Chef um uns über das interne Kommunikationsproblem zu orientieren. Der Chef stand etwas weiter hinten und liess das durch seine Untergebene ausbaden. Millionen haben die verbaut, aber zu einem Zahnstocher der dem Chef den Rücken gestärkt hätte, hat es nicht mehr gereicht.

Glaubwürdigkeit

In Sachen Olivenöl hat ein bekannter Rechtsanwalt sauber recheriert. A. I., der Schrecken der Versicherungen, der Hoffnungsträger von Schleudertraumatikern und Versicherungsgeplagten, pflegt in der Türkei einen epikureischen Garten. In seinem Ephesos Brief genannten Rundschreiben informiert er über die handgepflückte Ernte der Oliven und der Produktion seines Epheser-Öls. Von Irrtümern die den Begriff kaltgepresst begleiten, vom Säuregehalt und vom Zentrifugieren, sehr informativ und mit Fussnote versehen. Wissenschaftlich eben, so wie ein Jurist halt schreibt. Es scheint fast so, als könnte er sowohl der NZZ wie auch der Weltwoche in Sachen Olivenöl noch ein paar Nachhilfestunden erteilen. Für den Verkauf seiner Tropfen hat er in der Schweiz eine Top Adresse. Auf ca. 1800 Meter über Meer, bei Leo Hagenbuch in St. Moritz. Ein Öl das in den Landen der Hoch-Sozietät verkauft wird, hat sicher seinen Preis. Sehen wir Vera Dillier statt im Champagner bald im Olivenöl baden?

Dynasty

Eigentlich haben die Schweizer den Blaublütern vor vielen Jahren abgeschworen. Trotzdem finden sich immer wieder Ansätze zu Dynastien. Das aktuellste Beispiel ist Anton Mosimann. Der Restaurateurs-Sohn möchte die elterliche Tradition in der Schweiz an eigener Adresse weiterführen. Er hat gelernt, auf welchen Grundlagen etwas Generationenübergreifendes gebaut sein muss: Man nehme ein Schloss und ein Zweiklassen-System. Eben so, wie es Sir Mosimann in England gesehen hat. Aber St. Moritz hat's gezeigt: Ein Palace allein garantiert nicht den Fortbestand der Familientradition. Andere Familien zimmern ganz ohne Schlössli an ihrer Fortsetzungsgeschichte: Hayeks im Uhrenreich, Jagmettis im Juristenteich und die Keisers im Satirebereich. Im politischen Bereich werden Zürcher Söhne in nächster Zeit keine grossen Sprünge machen, im Aargau hingegen können Söhne die Politikroute weiterhin ganz in des Papas Sinn begehen. Hoffentlich gebärt die Fielding in Berlin viele viele kleine Bohrers die zum Deissschen Schrecken für einen Weiterbestand der fotofreudigen Schweizer Diplomatie sorgen.

Was für dynastisches Tun ist im Salz&Pfefferland angesagt? Die Bürger im Gewürzland werden ungeduldig. Das Volk will endlich ein Farbföteli in der Yellow-Press sehen. Auf den Seiten wo Prinz Ohr und Prinzessin Knie lächeln. Oder auf den Fernseh- und Illustrierten-Sofas die die Welt bedeuten. Kurz, den nächsten Cervelat im Promisalat. Aber die Paparazzis mit den 1000mm Objektiven warten vergeblich. Allem Gschtürm zum Trotz wurde noch kein Gastropapst gerufen um die neue Königin oder den neuen König zu krönen. Ein Konkurrent versucht die Untertanen aufzuhetzen, andere schauen regelmässig nach ob gar weisser Rauch aus dem Kamin an der Schlosstalstrasse zu Winterthur aufsteigt und die gleich selbst einen Papst erküren. Bevor die Spekulationen weiter gehen: Es ist reiner Zufall falls in dieser Nummer der Name Eggli im Impressum erscheint :-)

Mit dem Sackmesser verteidigen

Die Schweiz wird ausverkauft: Swissôtel an Raffles, Passagio an Autogrill, Selecta an die Compass Group und auch Roschee 24 suchte einen Käufer. Sind wir unfähig, lockt das grosse Geld oder haben Schweizer Unternehmen im Alleingang einen Nachteil?

Nach der etwas langweilig geratenen Buchhaltungslektion anlässlich der SAir GV ist bei mir in Sachen Balsbergischer Ausverkaufsstimmung noch dies und jenes ungeklärt: Welche Beteiligungen werden vielleicht um Milliönchen billiger verkauft, damit die neue Eigentümerin dem ausscheidenden CEO ohne Nebengeräusche die Abfindung zahlen kann? Und warum wurde die zumindest an der Schweizer Börse gehandelte Mövenpick bei der Offertstellung eines Unternehmens namens Swissôtel nicht in die engere Wahl gezogen? Bei der nächsten GV wird sicher einer Rechnungslektion anstehen. Swissôtel teilt mit, der Verkaufspreis betrage 520 Millionen. Raffles teilt mit, sie übernähmen die gleiche Sache zum Preis von 410 Millionen und zusätzlich noch 122 Millionen Schulden. Wer kriegt denn die 12 Millionen Differenz?

Etwas Widerstand regte sich ob des Swissôtel-Verkaufs ennet dem Röstigraben. In Montreux überlegen sich die Miteigentümer des Palace, ob sie wirklich verkauft werden möchten. Raffles freut sich sicher über ein Montreux Palace mit ihrem Logo. Aber eine Nahrungsmittelfirma aus Vevey sowie ein paar Petrodollars müssen noch überzeugt werden. Denen ist das ganze nicht so koscher.

Überhaupt, wo bleiben denn die Hüter der Schweiz? Zum Beispiel Toni Bortoluzzi, Volksvertreter in Bern. Wenn es um das Stochern in Autopneus geht, stellt er sein Sackmesser zur Verfügung. Möchte er nicht mit seinem Sackmesser an die Grenze stehen und die Millionenzuflüsse abwehren. Denn indirekt führen die neuen Eigentümer so Europa und die Welt durch die Hintertür in die Schweiz ein. Da müsste er doch den Willen seiner SVP-Stimmbürger verteidigen. Könnte sein, dass er zur Zeit etwas handicapiert ist. Vielleicht liegt sein Sackmesser wegen des Autopneu-Vorfalls in sicheren Händen bei den Gerichtsakten deponiert. In der TV-Arena stocherte er deshalb mündlich im Thema AHV herum. Die Prozentsätze der selbständigerwerbenden sollen angehoben werden fand Hr. Bortoluzzi. Das wird seine gewerblichen Wähler freuen. Seine Kollegen in der GastroSuisse müssen nun ihren Mitgliedern erklären, dass einer aus ihrer Partei mittels Sozialleistungserhöhung noch eine weitere Tranche ihres Erfolgs abschneiden möchte. Der Schreiner macht was er gelernt hat: Schicht um Schicht abtragen und Löcher bohren.

Wie Koscher sind Pommes-Frites?

Spätestens seit Ende der 80-er Jahre sollten die Kartoffelstäbchen eigentlich problemlos verzehrt werden können. Damals wurde darauf verzichtet, die Fritten in mit Rinder-Talg geschwängertem Öl herzustellen. Denkste. In Amerika hat ein Vegi auf Anfrage mitgeteilt erhalten, aus geschmacklichen Gründen wären doch noch Rinderbestandteile in den Pommes-Frites enthalten. Bleibt zu hoffen, dass diese Welle nicht mittels globalisiertem Rezeptbuch nach Europa schwappt. Weshalb kann denn ein so herrlich fettiges Produkt nicht einfach aus in Öl frittierten Kartoffeln bestehen? Dass die aus Pulver hergestellten Automaten-Frites für die imaginären 10'000 Tege-Automaten mittels Chemiefabrik haltbar gemacht werden müssen, wissen wir. Aber ganz normale, frisch gekaufte, knusprige Stengel in einer Tüte mit etwa Salz obendrauf sollen mit Rinderbestandteilen versetzt sein? Shame on you!
Automaten Reto mischt nur Vegi-Zeugs in die kürzlich mit viel Tam-Tam in der Presse beschriebenen Spaghetti-Maschinen. Eine klassische Spaghetti-Bolo wäre demnach nicht zu haben.

Seit Jahren wird erzählt, die Spaghetti-Automateninvasion sei nun Tatsache, und dennoch sind sie äusserst dünn gesät. Auf www.spaghetti-express.de wurde schon letztes Jahr versucht, solche Maschinen an den Kunden zu bringen. Bei meinen Deutschlandreisen habe ich noch keine gesehen. Das ganze dürfte sich wohl im Bereich der Tege-Realität abspielen.

Trotzdem schafft die Eröffnung eines Restaurants in Toronto in der Schweiz Tausende von Anschlägen in der Presse auszulösen. Es braucht dazu das Geld eines Waffenhändlers und Parteienspenders kombiniert mit einem etwa 2500 Meter abgehobenem Wirt an der PR-Front, und schon glauben die Medien, die Menschheit möchte mit solchen Automaten beglückt werden. Geld stinkt nicht und das Automatenprodukt genauso wenig. Wenn das nur gut geht. Rotkäppchen Bruno entschied sich pro Grossvermarktung und wollte nicht mehr im roten Notenbuch stehen... wird Spaghettisauce die weisse Kochweste von Reto bekleckern.

Das ganze wirkte für mich schon auf dem ersten Blick nicht glaubwürdig. Die Teigstängel dieser Maschine sind hohl. Und jeder Kochlehrling weiss, dem müsste man Maccaroni sagen.

Choucroute au curry par hasard

Die Schriftgrösse lässt die Altersgrenze nach oben offen, gleichzeitig sieht es aus wie ein dickes Schulheft. Salz&Pfefferstreuer entwickeln sich zu allerlei. Einer gewinnt einen Preis, ein anderer, hier Christoph Doswald, verschreibt sich dem Thema Kultur. Als Ausstellungsmacher und aktuell als Projektleiter eines Buches mit Titel "Choucroute au curry par hasard". Herausgegeben wird es von Jana Caniga (Migros Kulturprozent), Christoph Doswald und Cornel Windlin, die Interviews und Texte sind von Marisia Morkowska. Auch sie hat schon Texte in unser Gewürzheft geschrieben. Verziert ist das ganze mit Kugelschreiber-Zeichnungen von Claudia und Julia Müller. Inhalt: 50 Kochtipps von Frau, Mann und Kind auf der Strasse. Interviews mit Menschen, die nach Zufallsprinzip um ein Rezept gebeten wurden. Mal vor dem Grossverteiler oder auf einer Bergwanderung, mal auf dem Velo, mal auf einer Parkbank, einfach da, wo man sich im Verlaufe eines Lebens aufhält.

Herausgekommen ist ein überaus liebenswertes Buch. Zu jedem Kochtipp ein persönliches Statement zur generellen oder ganz speziellen Befindlichkeit. Zum Beispiel zum Schwangersein, zum Ende einer Beziehung oder zum bevorstehenden Erreichen des Töfflialters. Statements über die Schweiz aus Sicht eines Ausländers oder die Ansichten einer 92-Jährigen in Interlaken. In Deutsch, Französisch, Italienisch oder Englisch. Vom Älpler über den Mittelschullehrer oder der Familienfrau bis hin zum Screendesigner, CFO oder Theaterschreiner. Eine ganz spezielle Bestandesaufnahme von Menschen im Sommer 2000 in der Schweiz. Von St. Gallen via Zürich und Basel bis ins Tessin. Falls ein Kochbuch als warmherzig bezeichnet werden kann, dann trifft dies hier zu. Es wirkt sympathisch, lieblich und bei einigen Personen auch kantig. Ein Buch, das irgendwo aufgeschlagen werden kann und schon steckt man via Rezept und Kurzstatement gleich mitten in der Biographie eines Menschen. Kaufen oder sich schenken lassen. Ein Buch, das überall hinpasst, ob ins Bücherregal, aufs Klo oder in die Kochbuchsammlung. Es liest sich leicht, zum Beispiel während der Wartezeit beim Optiker. 240 Seiten die auch in der Badetasche Platz finden. In diesem Sinne wünsche ich einen lieblichen, warmherzigen Sommeranfang.