1995 Baratella

Restaurant Baratella, St. Gallen

Wenn per Zufall sowohl das Kunstmuseum als auch eine Galerie ihr Nachvernissage-Essen im Baratella planen, geht es zu und her wie bei einer 2 für 1 Aktion im Puff vor der Klosterschule (oder etwas netter ausgedrückt ... geht es mehr als lebhaft zu und her). 100% belegt, 100 Phon Stimmengewirr, 100 hungrige Gäste und etwa 10 Hände, die sämtliche Wünsche erfüllen möchten. Anstelle der grossen liegt eine kleine Karte mit Empfehlungen des Hauses auf. Spätestens zum Dessert jedoch lohnt sich ein kurzer Blick auf die normale Karte: Etwa 50 cm hoch, zusammengeklappt 15 cm breit, ein Kunstwerk. Auflage 200, zusätzlich 50 Exemplare auf Rivés-Bütten gedruckt, sowie 7 Exemplare für die Künstler.
An unserem 10-er Tisch wurden aufgefahren: Venezianischer Blattsalat geschnitten mit Zwiebeln, Tomaten mit Mozzarella (und einem Pesto-Toping, das nicht auf der Karte steht aber mindestens eine Zeile wert ist), Parmaschinken mit Melonenschnitzen, hausgemachte Nudeln mit frischen Trüffeln, hausgemachte Spaghetti mit Bolognese, Risotto milanese con funghi. Aber wie es halt so geht, genau da, wo ein anonymer Salz&Pfeffer-Streuer sitzt, gehen zwei Bestellungen unter. Harte Zeiten, wenn 98 Gäste schmausen, 2 Gäste jedoch fast eine Stunde lang zum Zuschauen verurteilt sind. Im Gespräch über Wildschweinschäden im Kanton Thurgau entwicklen sich Fata Morganas von Obelixens Leibspeise oder den bestellten hausgemachten Tortellonis. Wie bügeln ein Italienischer und ein Ostschweizer Kellner in der Hektik ein solches Malheur aus? Anwort: Mit einem Service, der (als das Essen dann schlussendlich serviert war), es mit jedem Butlerservice aufnehmen kann. Hier noch etwas Brot gereicht, da den Wein (Dolcetto d'Alba 12,5%) und dort das Mineral (San Pellegrino 0%) nachgeschenkt, und dazu eine grossartige Mischung aus Charme, Humor und Freundlichkeit. In Kombination mit der Qualität auf dem Teller wurde schliesslich alles vergeben und vergessen.
Es fiel auf, dass auch nach 10 Uhr (in einer Klosterstadt) ein kaum leer gewordener Tisch gleich wieder besetzt wurde. Der Laden läuft also nicht nur an Vernissagen. Schade nur, dass nach elf Uhr kein frisch zubereitetes Dessert mehr erhältlich war. Das Zabagelo genannte Zabayone mit Vanille Glace hätte uns interessiert. Aber das könnte ja Anlass für einen nächsten Besuch sein.